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Doktorarbeit erschienen

Es ist um das Jahr 2015: Innerhalb kurzer Zeit kommen gleich mehrere Nachrichtenangebote für junge Menschen auf den Markt. Sie heißen Bento, Ze.tt, Jetzt oder Noizz – und auch das ZDF wagt mit „heute+“ den Versuch, die jüngere Generation stärker für Nachrichten zu begeistern. Worum es in meiner Doktorarbeit geht, erfahrt ihr hier.

Meine Doktorarbeit im Verlag Springer VS. Foto: Leander Xynogalas.

Mit der Digitalisierung unseres medialen Alltags und einer ungeahnten Angebotsvielfalt haben sich auch die Nutzungsweisen nachhaltig verändert. Eine Folge: Viele junge Leute verlieren zusehends das Interesse an klassischen Nachrichtenangeboten. Mitunter ist bereits von einem Generationenabriss die Rede. Viele nutzen stattdessen andere, oft jedoch nichtjournalistische Quellen, um sich zu informieren. Das alles wäre weniger dramatisch, wenn es sich bei Nachrichten und Journalismus nicht um besonders systemrelevante Leistungen einer Gesellschaft handeln würde. Jenseits ökonomischer Kalküle stellen sich damit auch normativ-demokratietheoretische Fragen, die uns im ZDF umtreiben sollten.

Was passiert mit einer Gesellschaft, wenn Nachrichten an Bedeutung im Alltag vieler Menschen verlieren? Welche Folgen hat es, wenn die junge Generation den Wert eines qualitativen Journalismus nicht mehr zu schätzen weiß? Und: Was kann man dagegen tun?

Mit den vielen Nachrichtenangeboten, die speziell für Jugendliche und junge Erwachsene auf den Markt gekommen sind, gehen die Medienmacher insofern einen mutigen Schritt auf die Zielgruppe zu. Sie gehen implizit davon aus, dass junge Menschen eigene Nachrichten(angebote) wollen. Allerdings sind ihre Definitionen und Erwartungen an Nachrichten erstaunlich wenig erforscht – während es viele Daten zur eigentlichen Nutzung gibt. Meine Doktorarbeit verfolgt das Ziel, in diese Forschungslücke vorzustoßen, indem sie sich konkret mit den idealistischen Erwartungen junger Menschen an Nachrichten beschäftigt („Nachrichtenverständnis“). Die quantitative Repräsentativbefragung (14 bis 21 Jahre) hat in Kombination mit einer qualitativen Teilstudie etliche Erkenntnisse zu Tage gefördert.

Es zeigt sich unter anderem, dass junge Menschen in Deutschland ein vielschichtiges Verständnis von Nachrichten haben. Ihre Definition von journalistischen Nachrichten ist einerseits weiter gefasst als das traditionelle Verständnis aus Praxis und Wissenschaft. Andererseits interessieren sie sich für Themen, die wiederum der klassischen Norm näherstehen. Von leichten Themen aus der Welt der Stars und Prominenten haben viele genug, allerdings vermissen sie Nachrichten, die ihre eigene Lebenswelt betreffen. Vielen ist es dabei wichtig, auf Augenhöhe angesprochen zu werden, sie würden es etwa begrüßen, mehr junge Journalisten im Fernsehen zu sehen. Die Befragten nehmen Nachrichten am ehesten als professionell, realitätsnah und einprägsam wahr, sind aber nicht überzeugt, den Wahrheitsgehalt problemlos erkennen zu können. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehen zwar kein grundsätzliches Vielfaltsdefizit in den Nachrichten, bei einzelnen Themen wie Herkunft und Religion wünschen sie sich jedoch mehr Diversität. Ihnen ist es vor allem wichtig, dass Nachrichten informieren und ihnen helfen, bei Themen mitreden zu können. Sie sprechen sich zudem nicht dafür aus, die traditionelle Trennung von Nachricht und Meinung gänzlich aufzuweichen. Eine Mehrheit der Befragten findet, dass es auch im Netz weiterhin einen professionellen Journalismus geben müsse – Blogs und Social Media können die Leistungen ausgebildeter Journalisten demnach nicht ersetzen. Von den Journalisten erwarten sie jedoch mehr Transparenz als bisher. Eine deutliche Mehrheit ist der Meinung, dass auch schreckliche Bilder in den Nachrichten gezeigt werden sollten, weil sie abbilden, was in der Welt geschieht. Diese Frage hat durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine neue Relevanz erfahren.

Im zweiten Teil, der Fokusgruppe, wurde unter anderem über „heute+“ mit den Teilnehmern gesprochen. Die Sendung kam insgesamt gut bei Jugendlichen an. Die Teilnehmer begrüßten, dass viele Themen zur Sprache kamen (u.a. USA, Donald Trump, LGBTQ, Klimawandel, psychische Erkrankungen): „Und dass mal eben so ein bisschen aufbereitet, sag ich jetzt mal, oder für uns eben leichter verständlich, oder angenehmer zu verstehen, weil wir eben noch andere Bedürfnisse haben oder anders darauf schauen, als jetzt vielleicht ältere Menschen. Deswegen, glaube ich, ist das eigentlich ein gelungenes Konzept“, sagte einer der Teilnehmer. Auch Studio- und Sendungsdesign sowie die Moderatoren wurden überwiegend gelobt – aus Sicht der Befragten war „heute+“ ein gelungenes Format. Dass jedoch alle Teilnehmer die Sendung zuvor nicht wirklich gekannt hatten und allenfalls zufällig nutzten, dürfte ein Wermutstopfen sein.

Insgesamt scheint es sinnvoll, dass wir die Nachrichtenrezeption ganzheitlicher betrachten. Dazu zählt auch, die Definitionen und Erwartungen junger Menschen mehr zu beachten. Meine Doktorarbeit vertritt dabei nicht die Ansicht, dass wir uns als Journalisten um jeden Preis nach den Wünschen des (jungen) Publikums richten sollten. Es muss vielmehr darum gehen, klassische und eventuell neue journalistische Standards in Formen zu bringen, die vom Publikum geschätzt und nachgefragt werden. Damit legitimieren wir nicht nur unsere tägliche Arbeit, sondern werden auch grundsätzlich unserem hohen journalistischen Anspruch gerecht.

Dieser Artikel erschien im ZDF-Mitarbeitermagazin „Kontakt“.

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Ich bin
Markus

Als Journalist, Moderator und Reporter bin ich unterwegs. Immer auf der Suche nach spannenden Menschen und Geschichten. Manchmal schreibe ich sie hier auf.